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Interview mit Andrea Wolfensberger

Einblick in die Ausstellung Resonanzen II in der Großen Kunstschau
Performance zur Ausstellungseröffnung Resonanzen II in der Großen Kunstschau, Foto: © Focke Strangmann/Worpsweder Museumsverbund

Anders als bei Resonanzen I – hier wurde mit Heike Kati Barath vereinbart, dass alle Klassenmitglieder sich an der Ausstellung beteiligen können sollten, wenn sie denn wollten, wurde für Resonanzen II mit den betreuenden Professorinnen Andrea Wolfensberger, Maren Polke (Bern), Christine Streuli (Berlin) und Antje Majewski (Kiel) die Vereinbarung getroffen, dass die Teilnehmerzahl der Exkursionen nach Worpswede zwar unbegrenzt sein sollte, dass die Ausstellungsmacher aber dann bei anschließenden Besuchen in den jeweiligen Hochschulen frei sein sollten in ihrer Auswahl.

Einblick in die Ausstellung Resonanzen II im Barkenhoff
Einblick in die Ausstellung Resonanzen II im Barkenhoff, Foto: © Focke Strangmann/Worpsweder Museumsverbund

Erklärtes Ziel war es, eine wirkliche Gruppenausstellung zu inszenieren, die nicht bloß eine Addition von Einzelwerken sein sollte. Schließlich wählten Beate C. Arnold und Jörg van den Berg einundzwanzig Positionen aus mehr als vierzig Studierenden aus. Und obwohl es anders als bei Resonanzen I keine vorab getroffene thematische Engführung gab, verdichteten sich die Einundzwanzig in wenigen unterschiedlichen Themenfeldern, so dass letztlich im Barkenhoff wie in der Großen Kunstschau auch die Klassen und Hochschulen nicht mehr voneinander getrennt ausgestellt wurden. Die Besucher*innen waren eingeladen, auch diese Worpsweder Resonanzen einer jungen Künstlergeneration mit ihren eigenen zu brechen.

Fragen von Jörg van den Berg an Andrea Wolfensberger

Du lehrst seit Jahren an der Hochschule der Künste in Bern. Deshalb lag es nahe, dich nicht nur als Künstlerin zu Kaleidoskop Worpswede einzuladen, sondern eben auch mit deinen Studierenden. Du hast diese Einladung unmittelbar angenommen, nachdem du das erste Mal den Ort besucht hattest. Was hat dich hier gereizt, speziell auch im Hinblick auf deine Arbeit mit den Studierenden?

Ich habe es als eine große Ehre empfunden, im Namen der Hochschule der Künste Bern nach Worpswede eingeladen zu werden. Das Konzept der Ausstellung Kaleidoskop Worpswede, das Motto »aus gestern und heute wird morgen« sowieden Ort Worpswede mit seiner sehr speziellen Geschichte von jungen Studierenden aus fünf unterschiedlichen Kunsthochschulen reflektieren zu lassen, fand ich äußerst spannend. Auch die Möglichkeit für die Studierenden, ihre Ergebnisse in einer eigenen Ausstellung Resonanzen der Öffentlichkeit zu zeigen und damit neue Resonanzen hervorzurufen, empfinde ich nach wie vor als genial. Es ist immer eine große Chance für die Studierenden, an hochschulübergreifenden Projekten beteiligt zu sein.

Meiner Erfahrung entsprechend möchten viele angehende Künstler*innen am liebsten ungestört an ihren eigenen Fragen arbeiten. Ich glaube aber, dass es viel fruchtbarer ist, von konkreten Impulsen auszugehen und anhand dieser die eigenen Fragen zu stellen. Und genau diese Chance bot dieses Projekt. Worpswede ist ein überblickbarer Ort. Dank der örtlichen Eingrenzung auf diese kleine Ortschaft lassen sich sehr viele relevante Fragen in Bezug auf Kunst und Gesellschaft exemplarisch stellen.

Einblick in die Ausstellung Resonanzen II in der Großen Kunstschau
Einblick in die Ausstellung Resonanzen II in der Großen Kunstschau, Foto: © Focke Strangmann/Worpsweder Museumsverbund

Der Aufenthalt im Künstlerdorf

Ihr ward dann eine gute Woche in den Künstlerhäusern zu Gast und habt euch durch den Ort bewegt. Kannst du kurz sagen, wie ihr diese Woche verbracht habt? Habt ihr Vorgaben gemacht, habt ihr in der Gruppe gearbeitet?

Durch die lange Anfahrtszeit hatten wir leider nur vier ganze Tage, die sehr gefüllt waren. Es war alles neu für unsere Studierenden. Wir haben täglich rund sechs Stunden in der Gruppe gemeinsam geschaut, diskutiert und gelernt. Als erstes im sorgfältigen Betrachten der Ausstellung mit ihren unterschiedlichsten heutigen wie historischen künstlerischen Positionen, dann im Verstehen der Landschaft, die uns in einer gemeinsamen Moorführung näher gebracht wurde, dann im Erlebnis der historischen Architekturen und im Erkunden der heutigen Struktur des Dorfes und ihrer Bewohner.

Die restliche Zeit gingen die Studierenden einzeln oder in kleinen Gruppen auf eigene Recherche. Wir wussten ja, dass wir durch die lange Anfahrtszeit keine Möglichkeit haben, ein zweites Mal zu kommen. So musste alles zur Arbeit nötige Material gesammelt werden. Wir wären alle gerne länger geblieben. Es war eine extrem intensive und wunderbare Zeit.

Wie wirkt Worpswede auf die junge Künstlergeneration der Hochschulen?

Wir wollten ja eine dezidiert jüngere Generation werdender Künstler*innen dazu bringen, sich mit dem Ort und seiner Geschichte zu beschäftigen. Kannst du sagen wie dieser Ort auf die Generation deiner Studierenden wirkt? Gibt es da eine spezifische Faszination?

Wir mussten uns diesem Ort und seiner spezifischen Geschichte zuerst nähern. Das wichtigste für die Studierenden war ihr Aufenthaltsort in den Künstlerhäusern. Schon alleine die Tatsache ihrer Existenz hat sie zu tiefst berührt, und dann die großartige Möglichkeit, diese Häuser eine Woche zu bewohnen. Diese unerhörte Gastfreundschaft und die Tatsache, dass die Studierenden als angehende Künstler*innen ernstgenommen wurden, hat sie sehr berührt.

Und dann war da die Landschaft. Unsere Studierenden kommen mehrheitlich aus den Alpen. Den Himmel in seiner Zeitlichkeit zu sehen, war für viele fast ein Schock. Die Tatsache, nur pflanzliches Material unter den Füssen zu haben, war eine völlig neue physische Erfahrung. Während unseres Aufenthaltes brach ein Moorbrand aus, der Unmengen CO2 in kürzester Zeit in die Atmosphäre entließ. Wir haben unmittelbar die Hilflosigkeit gegenüber diesem Brand miterlebt. Ganz wichtig für alle war die historische Figur des Heinrich Vogeler und seine Lebensentwürfe, in denen Kunst und Gesellschaft nicht getrennt gesehen werden.

Ebenso prägend waren die Biographien der Frauen wie Martha Vogeler und Ottilie Reylaender, sowie der Grabstein von Paula Modersohn-Becker, der ihr posthum aufgezwungen wurde. Erst mit der Zeit kam die Neugierde auf den heutigen Ort, der etwas verschlafen wirkte und vom Tourismus erdrückt scheint. Die Offenheit und Freundlichkeit der Menschen war sehr berührend.

Was fehlt Worpswede?

Eine abschließende Frage an dich als Kunstschaffende und -lehrende: Was fehlt Worpswede, damit eine junge Generation von U30-jährigen Künstler*innen hierher ziehen würde, um von hier aus zu arbeiten?

Junge Künstler*innen brauchen gute Produktionsbedingungen, d.h. billige und gute Wohn- und Arbeitsräume, die Möglichkeit, etwas Geld mit wenig Aufwand zu verdienen und die Möglichkeit, ein tragendes Netzwerk aufzubauen. In dieses Netzwerk gehören Ausstellungsmöglichkeiten, Orte der Auseinandersetzung mit der eigenen und der Kunst anderer und die Möglichkeit, Werke zu verkaufen. Und es braucht eine lebendige Szene.

Gute Künstlerateliers sind in Worpswede bereits vorhanden, wie z. B. die Künstlerhäuser, neue sind erstellbar, die notwendigen Ausstellungsund Diskursräume können von den bereits existierenden Ausstellungsinstitutionen übernommen werden, wie sich an der Ausstellung Kaleidoskop Worpswede schön zeigt. Was sicher fehlt, sind potente Sammler, Mäzene und Galeristen. Ob eine lebendige Kunstszene in einem so kleinen Ort möglich ist, muss sich zeigen. Notwendig ist sicher die Anbindung an Institutionen in Bremen, Hamburg – oder Amsterdam, Rotterdam. Es braucht auf jeden Fall Zusammenarbeiten und einen weltoffenen Geist.

Resonanzen II

Studierende der Hochschule der Künste Bern, der Universität der Künste Berlin und der Muthesius Kunsthochschule Kiel

Mit Werken von:
EFRANA BOUTALEBI, DAVID AMBERG, JUAN BLANCO, BEATRICE BORN, ELKE BURKERT, ELENA DORN, ERNSTINA EITNER, LORENZ FISCHER, KIMALISON GREMINGER, EMELIE JOGSCHIES, JOHANN HABERLAH, CARLOTTA MANSI, LASSE MÜLLER, JAKOB OFFERMANN, PAULA OLTMANN, ANNIKA RIEBEN, BENJAMIN SCHWANDER, ALINE SCHWÖRER, ANOUK TSCHANZ, ALINE WITSCHI, ZIQUI ZHAO