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BLOG FRIDAY mit Gabriela Oberkofler

Die Zeichnungen von Gabriela Oberkofler setzen sich aus vielen kleinen Strichen und Punkten zusammen.
Gabriela Oberkofler, Blaue Hortensien-Blüte (Aluminiumsulfat), Detail, 2019, Aquarell auf Papier, 115 x 200 cm, Foto: © Jan Kapitän

Paula Modersohn-Becker Kunstpreis 2020: Nominiert in der Kategorie Hauptpreis

Gabriela Oberkofler (*1975 in Bozen) arbeitet mit den Medien Zeichnung, Skulptur und Installation. Die Natur und Pflanzenwelt spielen in den Arbeiten Oberkoflers eine zentrale Rolle. Ihre Bildmotive nimmt die Künstlerin sehr genau »unter die Lupe«. Ob großformatige Zeichnungen, Installationen oder Blumenteppiche – die Arbeiten haben vor allem eines gemeinsam: es geht um eine akribische Zerlegung in zahllose Einzelteile. Aus winzigen Punkten und kleinsten Strichen setzt Oberkofler die Natur neu zusammen und löst diese im selben Moment wieder auf. Es scheint wie ein Hinweis auf die Vergänglichkeit. Gleichzeitig sind das Zerlegen und das Archivieren der einzelnen Bestandteile ein zentraler Prozess für ihr Gesamtwerk.

Interview mit Gabriela Oberkofler

Gabriela, in deinen Arbeiten geht es in erster Linie um Natur- und Kulturräume. Genauer definiert geht es um Pflanzen und Tiere, um das Auflösen und Zusammensetzen einzelner Elemente und um Archivierung. Deine Zeichnungen von Blättern, Stöckern, Blumen, Pilzen, Moosen und Flechten wirken wie mikroskopische Vergrößerungen der Natur, so als würdest du jede Zelle einzeln einfangen und dokumentieren. Würdest du sagen, dass du die Natur intensiver wahrnimmst, oder woher kommt diese tiefe Auseinandersetzung?

Ich war als Kind sehr viel in der Natur, habe Pflanzen und Tiere sehr akribisch beobachtet, Ameisen, die vorbeispazieren, Ameisen die Hölzchen tragen, Ameisen, die buddeln, Ameisen, die über scheinbar unüberwindbare Hindernisse steigen…

Schon damals habe ich Zeit und Ort vergessen wie heute beim Zeichnen.

Du bist auf einem Bauernhof in Südtirol aufgewachsen und hast mittlerweile deine eigene Rosensteinalm mitten in Stuttgart errichtet. Wie darf ich mir deine Alm in der Stadt vorstellen?

Meine Rosensteinalm ist aus Containern gebaut und Teil der Container City des Kunstverein Wagenhalle e.V. Sie war als Interimslösung während der Sanierung unserer Ateliergemeinschaft gedacht. Gleichzeitig sollte sie ein Ort der Reflexion, des Austausches, der Zusammenkunft für Mensch, Tier und Pflanze sein und Fragen aufwerfen: Wie geht die Stadt Stuttgart mit Orten der Kunstproduktion um? Deshalb das Bild eines Bauernhofes. Dieses verstehe ich als ein langfristig angelegtes Projekt, das jeden einzelnen Akteur miteinbezieht. Jetzt, nach der Sanierung, bin ich wieder in die Wagenhalle gezogen und die Rosensteinalm habe ich an die Künstlerin Martina Wegener weitergegeben. So bleibt die Rosensteinalm ein lebendiger Ort, der von unterschiedlichen Akteuren bespielt wird.

Vor der freien Kunst hast du zunächst zwei Semester Kunstgeschichte und anschließend Kunsttherapie studiert. Verhältnismäßig spät, dafür aber umso erfolgreicher, hast du deine Künstlerkarriere gestartet. Gab es entscheidende Mentor*innen und Förder*innen? Und welche Rolle spielen Stipendien und Preise?

Ich habe sehr viele Mentor*innen und Förder*innen während meiner Studienzeit und danach kennengelernt. Dafür bin ich sehr dankbar und mit vielen sehr eng verbunden. Ohne diese wäre es nicht gegangen. Immerhin kann ich heute von dem leben, was ich tue, was sicherlich keine Selbstverständlichkeit ist. Auch Preise und Stipendien sind sehr wichtig, weil sie mir einen regelmäßigen, täglichen Alltag im Atelier, frei von finanziellen Sorgen ermöglichten und ermöglichen. Das regelmäßige, stetige, tägliche Arbeiten ist die Basis für meine künstlerische Arbeit und Zeichnung.

Gabriela Oberkofler zerlegt die Natur in viele kleine Einzelteile.
Gabriela Oberkofler, Installationsansicht Weihnachtsbaumarchiv, 2016, Kunsthalle Göppingen, Foto: © Frank Kleinbach
Wenn man deine Arbeiten mit einem Attribut beschreiben müsste, dann sind sie auf jeden Fall eines: akribisch. Was war deine bislang aufwendigste Arbeit? Und gab es bereits Momente, in denen dir die Schweißperlen auf der Stirn standen, weil die Zeit vor einer Ausstellungseröffnung zu knapp wurde?

Ja das passiert leider regelmäßig. Mein Rahmenbauer ist bei Beginn einer neuen großen Zeichnung eingeweiht und bereitet schon mal alles vor. Wenn ich die Zeichnung dann nach einigen Monaten fertig habe, muss es sehr schnell gehen, denn der Transport wartet bereits. Es handelt sich meistens um eine sehr intensive Zeit und es muss funktionieren wie ein getaktetes Uhrwerk.

Archivierung ist ein Teil der Arbeit der Stuttgarter Künstlerin.
Archivierung ist ein Teil der Arbeit von Gabriela Oberkofler. Installationsansicht Weihnachtsbaumarchiv, 2016, Kunsthalle Göppingen, Foto: © Frank Kleinbach

Wenn Du mehr über Gabriela Oberkofler erfahren möchtest, findest Du auf unserem BLOG noch ein weiteres Interview. Du möchtest mehr Einblicke in die Ausstellung zum Paula Modersohn-Becker Kunstpreis 2020 bekommen? Die Online-Kuratorenführung gibt es demnächst auf unserem YouTube-Kanal.

Einführungstext und Interview: Gesa Jürß, Worpsweder Museumsverbund